Aktuelles Forschungsprojekt
- Praktiken der Sorge in Zeiten der Krise. Sorgearbeit mit Kleinkindern in den 1970ern im deutsch-deutschen Vergleich
- Der Rechtsanspruch auf Tagesbetreuung, die Bildung in der frühen Kindheit und die Betreuungsqualität sind Stichpunkte gegenwärtiger Debatten zur Kleinkindbetreuung in Krippe und Tagespflege. Sie kennzeichnen Diskurse und Praktiken, die zunächst neu erscheinen, aber wie die historische Untersuchung verdeutlicht, grundlegende Fragen aktualisieren, die bereits in den 1970er Jahren kontrovers debattiert wurden. Während die Geschichte der Kindheit zunehmend Aufmerksamkeit erfahren hat, ist der Lebensabschnitt der frühen Kindheit, also die Periode zwischen Geburt und viertem Lebensjahr, historiographisch weitgehend unbearbeitet. Hier setzt das Projekt an und richtet den Untersuchungsfokus auf die Praktiken zwischen Kleinkindern und ihren BetreuerInnen. Im Zentrum des Vorhabens stehen zwei Untersuchungsgegenstände, erstens das Modellprojekt „Tagesmütter“ der Bundesregierung zwischen 1974 und 1980 sowie zweitens die Entwicklung eines Erziehungsprogramms und der begleitenden Krippenforschung am Institut für die Hygiene des Kindes- und Jugendalters der DDR zwischen 1968 und 1985. Das Projekt untersucht dabei die These, dass der Eindruck des sozialen, ökonomischen und kulturellen Wandels der ‚langen 1970er Jahre‘ – die Hervorbringung neuer Produktions- und Konsumverhältnisse im Strukturwandel – ebenfalls neue Sozialisationsverhältnisse ermöglichte, in welchen eine andere frühe Kindheit entstand. Die wenigen bisher vorhandenen Arbeiten richteten den Blick auf die institutionellen Formen der Betreuung, wie zum Beispiel die Geschichte der Krippe. Im vorliegenden Projekt sollen dagegen die Praktiken der Sorge untersucht werden, d.h. Handlungen und Gebärden der Pflege, der Ernährung oder des Spieles. Es verfolgt dieses Interesse mit der Frage, wie der intime Bereich des Umgangs mit Kleinkindern durch die gesellschaftliche Dynamik der 1970er Jahre in der Bundesrepublik und der DDR verändert wurde und vergleicht hierzu die beiden in ihrer Abgren-zung aufeinander bezogenen deutschen Staaten. Darüber hinaus wird auch das Konzept „Praktiken der Sorge“ methodologisch-konzeptuell entwickelt. Hierzu werden mit einem Mehrmethodenansatz heterogene Quellenformen aus den Kontexten der Untersuchungsobjekte bearbeitet. In Anlehnung an Weiterentwicklungen ethnomethodologischer und praxeologischer Überlegungen werden unter anderem die Visual History der dokumentarischen Fotografie der wissenschaftlichen Begleitforschung, die praxishistorische Rekonstruktion von Alltagshandeln, die text-kritische Analyse der entwicklungspsychologischen Berichterstattung und Oral History Interviews mit Tageseltern, WissenschaftlerInnen und Eltern miteinander verknüpft. Diese Kombination gestattet es den Wandel in der alltäglichen Form der frühen Kindheit in den 1970er Jahren zu erarbeiten. Historiographische Konzeptualisierungen wie die Verwissenschaftlichung des Sozialen, der Strukturwandel und die Entstehung der post-fordistischen Gesellschaft können so in ihren Wirkungen im sozialen Nahbereich erforscht werden.
- Förderung: Friedrich Thyssen Stiftung (08.2017-03.2018); DFG (2019-2022)
Dissertation
- Eine Maschine, die wirkt. Die Elektrokrampftherapie und ihr Apparat, 1938-1950.
- Förderung: Studienstiftung des Deutschen Volkes; Deutsches Historisches Institut London
- Eine Maschine, die wirkt. Die Elektrokrampftherapie und ihr Apparat, 1938-1950. Geschichte der Technischen Kultur 3, Paderborn 2018., Gefördert von der VG Wort
Studium
- Mittlere und Neuere Geschichte, Historische Hilfswissenschaften und Jüdische Studien an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und der Hochschule für Jüdische Studien
- Magisterarbeit: Irresein im Kleinen. Der Rausch als Modellpsychose in der psychiatrischen Forschung der 1920er Jahre.
Forschungsinteressen:
- Geschichte der Psychiatrie im 20. Jahrhundert
- Sozialgeschichte der Kindheit und Sozialisationsforschung
- Geschlechtergeschichte und feministische Geschichtswissenschaft
- Geschichte und Theorie der Historiographie
letzte Änderung: 11.12.2019